Wir sind das Volk

Kunsttrategien zwischen lechts und rinks. Eine Revue in 4 Akten und 3 Exkursen.

  1. keilter schwaß – Ornament & Verbrechen feat. Bolschewistische Kurkapelle Schwarz-Rot (Zickzack)
  2. Philoktet – L…..
  3. Ordnung und Disziplin (Müller vs Brecht) – L…..
  4. Im Herbst 197.. starb.. – L…..
  5. alles luschen außer heiner – k&k (Heinermaterial – Maos Rache für zuhause)
  6. Ich bin der Engel der Verzweiflung – L……
  7. heiner² – 119 c-m (Heinermaterial – Maos Rache für zuhause)
  8. Wir sind das Volk nur durch die Liebe – L……
  9. Introduction in Pop Mechanics – Sergey Kuryokhin (Leo Records)
  10. Atto III – Vladimir Tarasov (Major Label)
  11. Töten und Fressen – Grabnoct (Zickzack)
  12. Musik zum Weltuntergang – Robert Linke (Zickzack)

Literatur:

ZONIC No. 20 (www.zonic-online.de)

Gegner: Monatsunabhängige Zeitschrift gegen Politik aus Berlin (www.basisdruck.de)

Alexander Pehlemann & Ronald Galenza (Hg.): Spannung.Leistung.Widerstand. (ZONIC Spezial)

Kommentar

Von Wolfgang Seidel, Musiker und Publizist aus Berlin

Ich habe mir gerade “Mach Mal Langsam” angehört – „Kunst zwischen rinks und lechts“.

Interessant – aber die Frage, die der Titel verspricht, löst sich ohne Antwort auf.

Was mir bei der Sendung fehlt: gibt es eine psychische Disposition, die Künstler  für rinke oder lechte –  also totalitäre – Ideologien anfällig macht? Das zieht sich ja durch das 20. Jahrhundert. Von den italienischen Futuristen zum gescheiterten Schriftsteller Joseph Goebbels. Die Liste kann man noch reichlich verlängern. Die russische Avantgarde der 20er Jahre haben wir so nie betrachtet. Die wurde von Stalin entsorgt –  ich fürchte aber, dass etliche von Stalins Opfern auch nicht zimperlich waren

Zwei Punkte scheinen mir eine mögliche Erklärung. Ein Ego, das Einschränkungen und Regeln als persönliche Kränkung sieht. Ich würde sagen: als narzisstische Kränkung. Aber als Laie bin ich mit dem medizinischen Vokabular vorsichtig. Die Rebellion des Künstlers mehr als beleidigte Leberwurst als Besorgnis um das Wohl der Menschheit. Der andere Punkt ist das Selbstbild des Künstlers als mit der Kraft seines Willens ein Kunstwerk aus dem Nichts schaffendes Genie. Oder  – wenn er sich der Politik zuwendet – statt Kunstwerk einen neuen Menschen. Und wenn das Gemälde (oder der neue Mensch) dann doch nicht so gelungen ist, landet es auf dem Müll. Bei einem Gemälde hält der Schaden sich in Grenzen. Bei Maos Großem Sprung waren es dann ein paar Millionen Tote. Der hielt sich ja für einen Dichter. Und Mitleid? Zur narzisstischen Persönlichkeit gehört meines Wissens der Mangel an Empathie.

Mit Kurjochin und Co hatte ich mich schon vor Jahren beschäftigt. Dabei bin ich auch auf Limonow und Dugin samt ihrer Ideologie gestolpert – einschließlich ihrer Verbindungen zur Neuen Rechten in Deutschland und Frankreich. Anlass war die verblüffende Namensähnlichkeit zwischen meiner damaligen Band und der von Kurjochin. Die Inspiration für die Berliner Band war das Technik-Magazin Populäre Mechanik, das ich als Zwölfjähriger gelesen hatte. Das war die deutsche Ausgabe des US-Magazins Popular Mechanics. Das las ich wie einen SF-Schmöker. Nur so konnte man im Nachkriegs-Westberlin die Bauanleitung für die Fernbedienung des Garagentores, durch das locker zwei Chevys passten, verstehen. Es fällt schwer zu glauben, dass Kurjochin dieselbe Zeitschrift gelesen hat.

Der begegnete mir wieder in einer Ausstellung von Avantgarde/Underground Kunst aus dem Ostblock in der Berliner Akademie der Künste, wo munter rinks und lechts verwechselt wurden. Meine Besprechung der Veranstaltung in Texte zur Kunst bekam deshalb den Titel „Äpfel und Birnen“.

Als ich das erste Mal von der Szene um Kurjochin, Dugin et al hörte, dachte ich noch, dass das in der Tradition von Punk-Provokationen steht – und das in einer autoritären Gesellschaft, wo so etwas nicht ohne Risiko ist. Als ich das zweite Mal darauf stieß, war klar geworden, dass die es ernst meinen. Wie ernst wissen wir jetzt. Mein Fazit: genauer hinschauen, wenn Künstler Weltverbesserungspläne propagieren – egal ob von der Konzertbühne oder auf der Documenta.

viele Grüße

Wolfgang

PS: Vorige Woche landete ich in einem U-Bahnwagen voller Rammstein-Fans auf dem Rückweg vom Konzert der Band im Olympiastadion. Mit denen das Konzept der Überaffirmation zu diskutieren, hätte interessant sein können. Irgendetwas hielt mich davon ab…

PPS: Überaffirmation, davon haben wir genug gehört. Gibt es auch das Gegenteil?

Hier kommt jemand zu Wort, der sich dagegen ausspricht, die Musik zum Mittel zum Zweck zu machen. Für Conrad Schnitzler war die Musik das eigentliche Ziel – sozusagen zero affirmation

http://www.edition-telemark.de/923.06.html

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